Real – Abstrakt – Imaginär. Performanz und Spielstil im griechischen Theater

Projektleitung: Ao. Univ.-Prof. Dr. Herbert Bannert
MitarbeiterInnen: MMag. Dr. Raimund Merker
Laufzeit: 01.05.2012–30.11.2015
Fördergeber: FWF
Fördersumme: EUR 199.188,14

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Das Forschungsprojekt hat die antike Spieltechnik und Aufführungspraxis des attischen Theaters des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. zum Thema. Anhand ausgewählter Szenen und Textstellen aus Tragödie, Komödie und Satyrspiel wird, in Ermangelung von Regieanweisungen  und szenischen Instruktionen, untersucht, wie real, abstrahierend oder imaginär bestimmte, in der Regel zentrale und für den Fortgang der Geschichte relevante Handlungen von den Darstellern tatsächlich gespielt wurden. Welche künstlerischen Ausdrucksmittel verwendeten die Solisten und die Männer des Chores (Gestik, Mimik, körperlicher Ausdruck, emotionale Spielweise, etc.)?  Welche unterstützende Ressourcen des antiken Theaterapparates (Bühnenbild, Kostüm, Requisite, Ausstattung, etc.) gab es, welche wurden tatsächlich benützt und wie wurden die technischen Möglichkeiten eingesetzt? Wie und warum wurden einerseits szenische Momente ausschließlich mit sprachlichen Mitteln kommuniziert, während andere Szenen mehr gegenständlich, ja realistisch gezeigt wurden. Die daran anschließende Frage nach einer möglichen Entwicklung, nach einer Evolution der künstlerischen Spielform einer spezifischen Theatergattung, nach einer Weiterentwicklung des Sprach-, Spiel- und Kommunikationsstils der griechischen Theaterschaffenden, und auch das Problem der wechselnden Anforderungen an Darsteller und Zuschauer ist ein zentrales Thema der Projektarbeit. Dabei werden nicht nur philologisch-literaturwissenschaftliche, sondern besonders auch künstlerische, produktions- und werkästhetische Methoden und Denkstrukturen angewandt, um eine Reduktion des attischen Theaters mitsamt seiner Spieltechnik auf deren einfachen Werkzeugcharakter hin ebenso wie eine unzulässige Aktualisierung zu vermeiden.
Eine Grundvoraussetzung für die Arbeit ist stete Verbindung von Textinterpretation und praxisbezogener Bühnennähe. Neben den schriftlichen Quellen wird daher grundsätzlich ikonographisches und archäologisches Material mit in die Untersuchungen einbezogen. Ein wesentlicher Bestandteil der Betrachtung ist die Interpretation zueinander in Beziehung stehender dramatischer Textpassagen mit dem uns überlieferten Bildmaterial auf Vasen und Bildflächen.
Eine zusammenfassende Darstellung, die der Frage nach dem greifbaren theatralischen Einsatz plastisch-performativer Darstellung nachgeht und zwischen rein sprachlichen Mitteln und einer realistisch-naturalistischen Spielweise unterscheidet, existiert in dieser Form nicht. Entsprechend sind die Anliegen des Projekts:

  • Gegenständlichkeiten (Dinge, Menschen, Vorgänge etc.), die dem Zuschauer durch das Spiel der Akteure und durch die Ausstattung ausschließlich auf wahrnehmungsmäßige Weise präsentiert werden.
  • Gegenständlichkeiten, die auf doppeltem Wege zur Darstellung gelangen: in wahrnehmungsmäßiger Erscheinungsweise und durch die sprachliche Gestaltung, d. h. dass von ihnen auf der Bühne die Rede ist. Der gesprochene Text ergänzt in diesem Fall die sichtbare Erscheinung, und das gilt besonders für die Beurteilung der nicht so sehr sichtbaren, psychischen Verfasstheit der Figuren.
  • Gegenständlichkeiten, die ausschließlich mit sprachlichen Mitteln zur Darstellung gelangen (Postulat), die also auf der Bühne nicht gezeigt werden, obwohl von ihnen im Text die Rede ist.

Homepage: http://greek.theatre.univie.ac.at/home/