Datenbank von Ukiyoe-Karikaturen 1842–1905

Projektleitung: Emer. O. Prof. Dr. Dr. h. c. Sepp Linhart
In Zusammenarbeit mit: Mag. Dr. Susanne Formanek, Institut für Kultur- und Geistesgeschichte Asiens der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; Yuasa Yoshiko, MA, Kuratorin, Tobacco and Salt Museum, Tokyo; Prof. Shimizu Isao, Teikyo Heisei University, Chiba, Direktor des Nihon manga shiryokan, Narashino; Prof. Takahashi Noriko, National Research Institute for Japanese Literature, Tokyo
MitarbeiterInnen: Mag. Dr. Noriko Brandl Deushi (Ferner: Mag. Karin Dihanich, Mag. Nora Gesellmann, Mag. Maria Heppner, Mag. Margarete Hirsch, Mag. Sonja Hotwagner, Mag. Alexandra Linster,  Florian Purkartshofer, BA)
Laufzeit: 15.03.2004–30.09.2006 und 01.11.2007–30.06.2012.
Das Projekt wird derzeit einstweilen ohne weitere finanzielle Förderung vom Projektleiter und der Projektbearbeiterin als ongoing-project fortgeführt.
Fördergeber: FWF
Fördersumme: EUR 288.706,–

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Die japanischen Farbholzschnitte aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind unter dem Namen ukiyoe weltberühmt und übten ab der zweiten Hälfte des 19. Jhdt.s einen großen Einfluss auf die westliche Malerei aus. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Farbholzschnitten um eine kommerzialisierte Gebrauchsgrafik. Die Bilder zeigten einerseits Stars aus dem Theater oder berühmte Kurtisanen aus den Vergnügungsvierteln, andererseits Landschaftsbilder, die der ab 1800 stark zunehmenden Reiselust zuzuschreiben sind. Zu diesen drei wesentlichen Genres gesellt sich ab 1842 ein neues, das der Karikaturen und humoristischen Bilder, das aber vor allem im Westen bisher kaum Beachtung gefunden hat.  

Das neue Genre entstand, weil im Rahmen der sogenannten Tenpo-Reformen 1841-1843 die beliebten Schauspieler- und Kurtisanen-Bilder verboten wurden und das gesamte Druckgewerbe starken Repressionen ausgesetzt war. Die neuen Karikaturen, die Schauspieler und Kurtisanen z.B. als Kinder, Fische oder als Spatzen camouflierten bzw. in schwer verständlichen Bildern verbotenerweise sich über politische Zustände und Missstände lustig machten, gewannen rasch an Beliebtheit und bildeten bald ein wichtiges neues Genre, innerhalb dessen wieder zahlreiche Subgenres zu verzeichnen sind: Erdbeben-Bilder 1855, Yokohama-Bilder ab 1860, Masern-Bilder 1862, Hysterie-Bilder 1863-64, Bilder vom Bürgerkrieg 1868, Hasen-Bilder 1873-74, Bilder von der Verwestlichung, Bilder vom Bürgerkrieg 1877, Bilder vom Sino-Japanischen Krieg 1894-95 und Bilder vom Russisch-Japanischen Krieg 1904-05. Auch nach der Meiji-Restauration mit der von oben eingeleiteten Modernisierung und Verwestlichung des Landes wurde von den autoritären Regierungen ein strenges Überwachungs- und Zensursystem beibehalten, so dass die Produktion von Karikaturen weiterhin blühte. Die Holzschnittproduktion litt allerdings unter den neuen Drucktechniken und wurde immer mehr zurückgedrängt, ehe sie nach dem Russisch-Japanischen Krieg ganz verschwand. Für Karikaturen entstand eine Reihe von einschlägigen Zeitschriften, die auch vormalige Holzschnittkünstler beschäftigten.
Im vorliegenden Projekt  einer virtuellen Datenbank wurden zunächst in japanischen, europäischen und amerikanischen Institutionen einschlägige Holzschnitte ausfindig gemacht, um die Übermittlung von Bildern und um die Erlaubnis für deren Verwendung in der Datenbank angesucht. Sämtliche Bilder wurden nach einheitlichen Richtlinien bearbeitet: Zunächst wurden die meist auf den Holzschnitten angegebenen Eckdaten  (Titel des Bildes, Name der Serie, wenn es in einer Serie erschienen war, Signatur des Künstlers und beteiligter Handwerker, Name des Verlegers, Zensursiegel und Datierung) ermittelt, dann die weiteren Texte auf den Bildern gelesen und in Druckschrift transkribiert, die Texte übersetzt, die Bilder beschrieben und schließlich interpretiert. Die gesamte Datenbank ist dreisprachig (Deutsch, Englisch, Japanisch) angelegt.
Bisher konnten über 1540 Farbholzschnitte nach diesen Richtlinien bearbeitet und in der öffentlich zugänglichen Datenbank einem interessierten Publikum zugänglich gemacht werden. Falls die Bilder in einer Serie publiziert wurden, bemühten wir uns auch, die Serien möglichst vollständig zu erfassen.  Daher sind in unserer Datenbank etliche Serien erstmals vollständig nachgewiesen.  Nach unserer derzeitigen Schätzung gibt es für den Zeitraum 1842 bis 1905 vermutlich über 3000 einschlägige Holzschnitte, was auch auf ein waches Interesse der Konsumenten dieser Holzschnitte, nämlich der städtischen Bürgerschicht, an den politischen Ereignissen der damaligen Zeit schließen lässt und zu einer Neuinterpretation des politischen Interesses der Bürger führen müsste, denen bisher vor allem politische Apathie nachgesagt wurde.

Bildbeispiel:
Ein Meisterwerk des Kuniyoshi-Schülers Yoshimori, bei dem sich Yoshimori der Technik seines Meisters, das Bild in eine vordere reale und eine hintere irreale Welt zu teilen, bediente. In Anlehnung an das Märchen vom Sperling mit der abgeschnittenen Zunge öffnet der gute alte Mann einen Korb und heraus kommen die Vertreter der Aussöhnungspolitik zwischen Tenno und Shogun, nämlich die Daimyo von Aizu, Satsuma, Echizen, Kuwana, Tosa usw. Auf der anderen Seite kommen aus dem großen Korb der bösen Alten Choshu und einige gegen das Shogunat eingestellte Hofadelige. Yoshimori zeigt hier eindeutig seine Sympathien für den Shogun.

Homepage: http://kenkyuu.eas.univie.ac.at/karikaturen/